Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Ein heller Fleck im Dunkeln: Gamma- und Röntgenstrahlen erzählen die Geschichte des Galaktischen Zentrums

Ein heller Fleck im Dunkeln: Gamma- und Röntgenstrahlen erzählen die Geschichte des Galaktischen Zentrums

Aug 26, 2018

Ein heller Fleck im Dunkeln: Gamma- und Röntgenstrahlen erzählen die Geschichte des Galaktischen Zentrums

26. Juni 2018


Emission from Galactic nuclear centre
Abbildung 1: Abbildung 1: Simulationen der Emission der MSPs (als Gammastrahlen) und CVs (im Röntgen-Spektralbereich) innerhalb eine Umgebung von etwa 8 Lichtjahren um das galaktische Zentrum herum.


Unsere Sonne umkreist, wie auch alle anderen Sterne in unserer Heimatgalaxie, das Zentrum der Milchstraße. Diese Region, etwa 27000 Lichtjahre von uns entfernt, ist eine der faszinierendsten astronomischen Gebiete innerhalb unserer Galaxis und wirft immer noch viele Fragen für Astronomen auf.

In der Mitte unserer Heimatgalaxie befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch namens Sagittarius A* (SgrA*). Astronomen schätzen seine Masse auf etwa das 4,5 Millionen-fache der Masse unserer Sonne.
Umgeben ist dieser galaktische Mittelpunkt von einem dichten Konglomerat aus Sternen, einem sogenannten Kernsternhaufen. Kernsternhaufen sind die dichtesten bekannten Sternhaufen im Universum und befinden sich um die Zentren der meisten Galaxien herum. Wie sie entstehen, ist unter den Astronomen aber noch immer nicht vollständig geklärt.


Mysteriöse Strahlung aus dem Innersten der Galaxie

In den letzten Jahren zeigten detaillierte Beobachtungen des galaktischen Zentrums mit dem FERMI-Satelliten einen intensiven Fluss von Gammastrahlen aus dieser Region, den Wissenschaftler bisher nicht erklären konnten.
Eine mögliche Quelle dieser Strahlung könnten aber Emissionen einer bestimmten Art von Neutronensternen sein, genannt Millisekunden-Pulsaren (MSPs). Diese MSPs kommen in binären Sternsystemen vor und rotieren mit mehreren hundert Umdrehungen pro Sekunde extrem schnell. Einzeln betrachtet senden diese Objekte nur schwach Licht aus und können mit heutigen Teleskopen auch nicht ausreichedn aufgelöst werden. Die kombinierte Emission von Tausenden dieser Pulsare könnte aber durchaus das eher unscharfe Bild der Gammastrahlen erzeugen, das Astronomen aus dieser Region empfangen.

Kurz nach FERMI beobachteten zudem die Satelliten NuSTAR und Chandra eine große Anzahl von Strahlungsquellen innerhalb derselben galaktischen Region, die Röntgenstrahlung emittierten. In diesem Fall werden die wahrscheinlichsten Kandidaten als magnetische "Kataklysmische Veränderliche" (CVs) bezeichnet. CVs stellen ebenfalls stellare binäre Systeme dar, die aus einem weißen Zwerg und einem weiteren Stern bestehen, wobei der weiße Zwerg Gas von seinem Begleitstern abzieht.

Erst kürzlich konnten Beobachtungen mit Chandra auch mehrere Neutronensterne sowie Schwarze Löcher (BHs) in Binärsystemen innerhalb der Umgebung von SgrA* nachweisen. Diese Objekte "ernähren" sich dabei ebenfalls von ihren jeweiligen sonnenähnlichen Begleitern. Aber warum genau ist gerade diese Region um das galaktische Zentrum herum so dicht besiedelt mit diesen Objekten? Diese Frage ist für Astronomen von zentraler Bedeuting, können sie aus den Antworten doch wichtige Rückschlüsse über die Entstehung von Galaxien und deren Evolutionsprozesse ableiten.

Das heutige Verständnis der Bildung von MSPs legt nahe, dass die Anzahl der MSPs, die sich im Zentrum einer Galaxie bilden könnten, viel kleiner sein sollte, als die Menge der detektierten Gammastrahlung vermuten lässt. Diese offensichtliche Diskrepanz zwischen Beobachtungen und Theorie kann jedoch abgemildert werden, wenn man den Ursprung der MSPs mit der Entwicklung und dem Wachstum der inneren galaktischen Regionen in Zusammenhang bringt.


Massive, hochenenergetische Binärsysteme als Quellen dieser Strahlung

Ein Team von Astronomen unter der Leitung von Dr. Manuel Arca Sedda, Astronom am Zentrum für Astronomie an der Universität Heidelberg, sowie Bence Kocsis (Eotvos Lorand University) und Tim Brandt (University of California Santa Barbara) konnten in einer kürzlich veröffentlichten Studie nun zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem beobachteten Gamma- und Röntgenfluss und dem Ursprung des galaktischen Kernsternhaufens gibt. Für ihre Untersuchung benutzen Die Wissenschaftler modernste hochkomplexe Computermodelle, die die innersten Regionen der Milchstraße simulieren.

Die Simulationen unterstützen in der Tat die Theorie, dass sich die Kernsternhaufen der Galaxien durch eine Reihe von wiederholten Kollisionen zwischen massiven Sternhaufen bilden, die sich im Anschluss aufgrund langsam in Richtung des galaktischen Zentrum winden (Siehe auch linke Seite der Abbildung 1). Die Spiralbewegung wird dabei von der so genannten dynamischen Reibung, der gravitativen Beeinflussung der einzelnen Sternhaufen untereinander, dominiert. Dieser Entstehungsmechanismus, bekannt als "Dry-Merger"-Szenario, erklärt die beobachtete Beziehung zwischen Kernsternhaufen und ihren Wirtsgalaxien zufriedenstellend.

Während der Bildungsphase der Kernhaufen lagern die dabei zerstörten Sternhaufen ihre eigenen Populationen von dichten, hochenergetischen Objekten in dem so wachsenden Kernsternhaufen ab. Tatsächlich sind Sternhaufen effektive Fabriken für die Bildung dieser hoch-energiereichen Objekte wie MSPs, CVs und BHs. Das Dry-Merger-Szenario stellt also einen schlüssigen Mechanismus dar, um diese Quellen im galaktischen Zentrum zu akkumulieren.

"Unsere Ergebnisse reproduzieren die beobachteten Gamma- und Röntgenflüsse sehr gut", erläutert Dr. Arca Sedda seine Arbeit (zur Veranschaulichung siehe Abbildung 1, rechte Seite). "Unsere Simulationen deuten darauf hin, dass die zerstörten Sternhaufen eine große Anzahl von bis zu mehreren Tausend dieser MSPs und CVs in das galaktische Zentrum einlagern können. Damit lässt sich die beobachtete Strahlungsstärke, die auf eine große Anzahl dieser Quellen innerhalb des galaktischen Zentrums zurückzuführen ist, hervorragend erklären"

Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen auch ableiten, dass sich eine Reihe von BHs innerhalb des galaktischen Zentrums befinden könnte. Dies stellt einen weiteren Indikator für das Dry-Merger-Szenario der Bildung des Nuklearsternhaufens dar. Die Ergebnisse sind daher ein weiterer, wichtiger Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Evolutionsgeschichte unseres galaktischen Zentrums.

Ihre Ergebnisse stellen die Astronomen unter anderem in einem Video dar, in dem sie ihre Simulationen zur Bildung des Kernsternhaufens darstellen.



Ergänzende Information:

Die hier präsentierten Ergebnisse wurden in: Manuel Arca-Sedda, Bence Kocsis und Timothy D. Brandt, Gamma-ray and X-ray emission from the Galactic centre: hints on the nuclear star cluster formation history im Fachjournal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.

Diese Arbeit wurde im Rahmen des Unterprojektes Z2 des Sonderforschungsbereiches SFB 881 "Das Milchstraßensystem" der Universität Heidelberg durchgeführt. Sonderforschungsbereiche sind langfristige Projekte zur Grundlagenforschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bis zu einer Dauer von 12 Jahren gefördert werden.

Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, ist eine Spiralgalaxie und damit ein typischer Vertreter der Galaxien im heutigen Universum. Aufgrund unserer Lage innerhalb der Milchstraße bietet sie uns eine einzigartige Möglichkeit zur Untersuchung der physikalischen Prozesse bei der Entstehung von Galaxien. Die am SFB881 beteiligten Wissenschaftler untersuchen seit 2008 die Entstehung und Evolution der Milchstraße und ihrer Umgebung.

Der SFB 881 befindet sich am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) und umfasst Wissenschaftler des Astronomischen Rechen-Institut (ARI), dem Institut für Theoretische Astrophysik (ITA) und der Landessternwarte Königstuhl (LSW). Die beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Darüber hinaus beteiligt sich das Haus der Astronomie (HdA), um die Forschungsergebnisse des SFBs der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Editor: T. Lisker
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